und die Waisen. Aus dem Schatten Korczaks.
So könnte man den Titel des Buches von Magdalena Kici´nska aus dem Englischen übersetzen, das erstmals 2015 auf Polnisch erschienen ist.
Wir hatten bei unserem Besuch im Korczakianum mit Frau Ciesielska über die Legendbildung rund um Korczak gesprochen: Sein Gang in die Gaskammer mit den Kindern, obwohl es ein Angebot gab, sich retten zu können.
Janusz Korczak sollte stellvertretend stehen für all die Erwachsenen, die ebenfalls ihre Schützlinge nicht verließen; in den Waisenhäusern ebenso wie in den Altersheimen und Krankenhäusern. Der größte Teil des Personals ging mit in den Tod. Darüber hinaus wird die pädagogische Arbeit Korczaks, die Formulierung der Kinderrechte, die Versuche und das Scheitern in der Erziehung verdeckt.
Denn die Geschichte des Waisenhauses erstreckt sich über dreißig Jahre und bietet viel Stoff für Geschichten zur besonderen Pädgogik Korczaks und deren Umsetzung.
Dies war nur möglich durch den Einsatz und den eigenen Ideen von Menschen wie Stefania Wilczy´nska, die das Leben der Kinder und die Atmosphäre des Waisenhauses in über dreißig Jahren Arbeit prägten und deren Geschichte bisher wenig erzählt worden ist.
Das Buch stützt sich auf Archivmaterial, Interviews mit den letzten Überlebenden, die sie noch aus eigener Erfahrung kannten und den Briefwechsel, den Stefa Wilczy´nska mit Fejga, einer ehemaligen Bewohnerin des Waisenhauses, führte. Es gelingt, die vielen Facetten ihrer Persönlichkeit zu beleuchten und da, wo sie sich zu widersprechen scheinen, auch einzuräumen, dass kein Mensch frei von Widersprüchen und mit seinen Schattenseiten letztendlich nicht zu ergründen ist.
Gerade deshalb ist dieses erste Porträt von Stefa Wilczy´nska gelungen. Beim Lesen stellt sich das Gefühl ein, auf den Spuren eines authentischen Menschen zu sein. Dabei tritt sie weit aus dem Schatten Korczaks. Geboren in eine assimilierte jüdische Familie, sprach sie kein Jiddisch und nur akzentfreies Polnisch. Polen existierte nur als Teil des zaristischen Russlands, es wurde stark in polnisch (katholisch) und jüdisch unterschieden und die Universitäten waren Frauen noch weitgehend verschlossen.
Sie besuchte trotz allem eine polnischsprachige Schule (Marie Curie war eine ihrer Mitschülerinnen), studierte Naturwissenschaften in Lüttich und Genf. Dreimal hielt sie sich in Palästina auf, auf der Suche nach Möglichkeiten, ihre Erfahrungen aus dem Waisenhaus weitergeben und eine neue Heimat für sich finden zu können. Dabei war sie wagemutiger und auch konsequenter als Korczak.
Letztendlich zog es sie wieder zum Waisenhaus und Korczak (?) zurück. Der Rest steht in den Geschichtsbüchern.
Momentan ist das Buch auf Englisch unter dem Titel „Pani Stefa and the Orphans“ ISBN 978-1-912676-78-1 bestellbar.
