Heute gab es Warschau bei Tag. Der Weg zu Korczak führte auch dieses Mal nicht am POLIN vorbei. Das extra gebaute Museum erzählt (sehr spannend) die Geschichte von Polen und Juden seit dem Mittelalter. Mit allen Höhen und Tiefen und Widersprüchen. Es ist deshalb besonders gut geeignet für die Vorbereitung auf die Zeremonie am Samstag. Die geschichtliche Erzählung wird nicht auf den Zweiten Weltkrieg verengt sondern erzählt viel mehr von der Vielfalt der Jahrhunderte davor.
Der Standort des Museums selbst ist geschichtsträchtig: Vor achtzig Jahren befand sich an seiner Stelle der Weg zum Umschlagplatz in der Stawkistraße, an dem die Bewohner des Ghettos in Viehwaggons in den Tod geschickt wurden. Direkt davor ragt das Denkmal für die Helden des Ghettoaufstandes auf, an dem Willy Brandt seinen Kniefall im Dezember 1970 vollzog.
Heute war Museumstag und der Eintritt frei. Jeder ging mit seinem Audioguide nach seinem eigenen Rhythmus durch die Ausstellung. Manche waren sehr schnell durch, andere hielten sich an den Stationen länger auf und lauschten auf die Erklärungen. Wir fanden uns im Restaurant wieder und diskutierten lange nach dem Dessert über unsere Eindrücke.
Mir blieb eine Station besonders in Erinnerung: Im Themenblock „Räumung des Ghettos“ waren drei Holzbänke installiert, wie sie damals in Straßenbahnen zu finden waren. Auf ihnen saßen Besucher und schauten aus den „Fenstern“ auf die zerstörten Straßen, die auf den Leinwänden vorbeizogen. Eine ältere Frau erklärte einer jüngeren und einem vielleicht Zwölfjährigen etwas. Vielleicht eine Großmutter mit Tochter und Enkelin. Ich folgte der Sprachmelodie und mir wurde klar, dass sie hebräisch sprachen, als die ältere Dame das Wort „Umschlagplatz“ sagte. Einfach so, ein einziges Wort. Ohne Akzent. „Umschlagplatz“. Ich hoffe, die deutsche Sprache hat noch andere, bessere Spuren in den Sprachen der Welt hinterlassen als „Umschlagplatz“ und „Achtung!“ und „Ausweis!“.
Wir haben einige Bilder ausgewählt, um einen kleinen Eindruck zu geben. Wahrscheinlich könnten wir fünfzig und mehr hier anfügen, ohne alle Facetten ausreichend zu beleuchten, die im Museum so gut erklärt werden. Collin wird uns später noch mit einem Beitrag liefern, wie er das Museum und den Tag erlebt hat.
Der Nachmittag sah uns dann in der Altstadt. Stare Miesto. Zum Glück haben wir Herrn Große dabei, der ganz gut mit Polnisch zurechtkommt und uns mit seinem Wissen verblüfft.
95 Prozent der Altstadt und 85 Prozent von ganz Warschau waren von den Deutschen systematisch zerstört woren. Nach dem Ghettoaufstand und dem Warschauer Aufstand wurden die Häuser gesprengt oder mit Flammenwerfern in Brand gesetzt. Besonders viele Bibliotheken, Archive und Schulen fielen der Zerstörung zum Opfer. Die Restaurierung der Altstadt – mit den historischen Materialien – gilt als die größte, die jemals unternommen wurde.
Was für ein toller Tag. Schön, dass ihr so viele Eindrücken sammeln könnt und kulinarisch scheint ihr auch gut versorgt zu sein. Viele Grüße aus Halle
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Frau Schmidt, polnische Pizza ist immer ein kulinarisches Highlight!
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Hallo zusammen,
ich verfolge mit Spannung Eure Reise und freue mich auf die Berichte am Ende des Tages. Ich wünsche Euch weiterhin eine erlebnisreiche Zeit mit sicher unvergesslichen Eindrücken, besonders am Samstag. Viele Grüße von Christine Fröhlich aus Halle
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